Nachbarrecht im Bauverfahren
Im Vorarlberger Baugesetz sind die Nachbarrechte (§ 26 BauG) taxativ, also erschöpfend aufgezählt. Die Nachbargrundstücke dürfen nicht durch Lawinen, Wasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen und dergleichen gefährdet werden. Außerdem müssen die Abstandsflächen und Mindestabstände (§§ 5 und 6 BauG) eingehalten werden. Schließlich besteht ein Immissionsschutz; von den Bauwerken darf also keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung ausgehen.
Die Rechte des Nachbarn können durch Einwendungen im Bauverfahren ausgeübt werden. Dadurch sind Verzögerungen zu erwarten oder die Einwendungen führen sogar zur Versagung der Baubewilligung.
In der Praxis kommt es vor, dass Bauwerber den Nachbarn mit Schadenersatzansprüchen „drohen“, wenn diese Einwendungen erheben. Dabei wird argumentiert, dass die Verzögerungen zu Mehrkosten des Bauvorhabens führen und dieser Schaden gegenüber dem Nachbarn geltend gemacht würde.
Verständlicherweise kann diese Vorgangsweise zur Verunsicherung der Nachbarn führen und wohl den einen oder anderen dazu bringen, Einwendungen zurückzuziehen oder gar nicht zu erheben.
Zivilrechtlich können Einwendungen im Bauverfahren nur dann zu Schadenersatzansprüchen führen, wenn die Aussichtslosigkeit der Einwendungen bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit erkennbar ist oder wenn diese schikanös bzw. rechtsmissbräuchlich erhoben werden. Dem Nachbarn muss im Bewilligungsverfahren in der Frage der Tolerierbarkeit seines Rechtsstandpunkts aber ein weiter Spielraum zugebilligt werden. Wenn es also nicht bloß um eine Verzögerung des Bauverfahrens in Schädigungsabsicht geht, was kaum beweisbar ist, werden solche Schadenersatzforderungen des Bauwerbers ins Leere gehen.
Die Angst vor Schadenersatzansprüchen ist somit im Regelfall unbegründet.
Dr. Gerhard Scheidbach