Schadenersatz im Fall der Pflege von Angehörigen
Oft pflegen Kinder ihre Eltern (oder umgekehrt), wobei darunter nicht nur Körperpflege und Kochen, sondern auch Behördengänge und Einkäufe verstanden werden. Manche tun dies gegen Entgelt, andere fühlen sich dazu moralisch verpflichtet.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat vor kurzem erstmals über die Frage entschieden, ob der Pflegende Schadenersatz erhält, wenn er aufgrund eines unverschuldeten Unfalls für eine bestimmte Zeit nicht mehr in der Lage ist, der Pflege seines in einem anderen Haushalt lebenden Vaters nachzugehen und deshalb Ersatzkräfte mobilisieren musste.
Arbeitsverhinderung
Bis dato wird einem Verletzten Schadenersatz zugesprochen (ca. € 15,00 bis € 20,00/Stunde), wenn er unfallbedingt den eigenen Haushalt nicht mehr führen kann und dadurch andere in derselben Wohnung lebende Personen geschädigt werden, und zwar unabhängig davon, ob für diese Arbeit tatsächlich eine Ersatzkraft benötigt wird. Dies gilt selbst dann, wenn keine Unterhaltspflicht des Verletzten gegenüber den anderen in der Wohnung lebenden Menschen besteht.
Die wirtschaftlich eingesetzte Arbeitskraft stellt einen selbständigen Wert dar, der bei Vernichtung dieser Arbeitskraft (zeitweise, dauernd oder gänzlich) vom Schädiger zu ersetzen ist. Der entgehende Wert der Arbeitskraft begründet daher einen Verdienstentgang, wenn die Verfügbarkeit dieser Arbeitskraft unfallkausal beeinträchtigt wird. Anspruchsberechtigt ist dabei der Verletzte und nicht der Gepflegte.
Beistandspflicht
Laut Gesetz „haben Eltern und Kinder einander beizustehen und mit Achtung zu begegnen“; dies gilt auch für volljährige Kinder. Wenn sich ein Kind (dadurch) „sittlich verpflichtet“ fühlt, seinen Vater zu pflegen, und dies nun nicht mehr kann, liegt ein Schaden vor, für den der Unfallgegner aufkommen muss.
Die gesetzliche Beistandspflicht wird allerdings durch die Zumutbarkeit für den Einzelnen und durch die gesellschaftliche Üblichkeit der Leistungen begrenzt. Pflegeleistungen, die nach Art oder Ausmaß im Rahmen eines gewöhnlichen Eltern-Kind-Verhältnisses nicht gesellschaftlich üblich sind, gehen daher über das „Geschuldete“ hinaus. Die (grundsätzliche) gesetzliche Beistandspflicht bietet somit die Grundlage für den Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entgehenden Pflegeleistungen im Falle einer erlittenen Körperverletzung.
Beschränkung auf Familie
Dass die Ersatzpflichten dadurch künftig uferlos werden, befürchtet der OGH nicht. Denn diese (neue) Regel bleibt auf die engste Familie beschränkt, allerdings unabhängig davon, ob man im gemeinsamen Haushalt wohnt oder nicht.
Dr. Andrea Höfle-Stenech, LL.M.